Projektinfos
DI Christoph Dünser
DI Stefan Hiebeler
Ing. Benjamin Baumgartl
DI Ann-Katrin Popp
Wolfgang Hammerer
Bmst. Ing. Michael Hassler, Dornbirn
Bmst. Ing. Michael Hassler, Dornbirn
Bauherr
Kloster Einsiedeln, Einsiedeln
Standort
St. Gerold (AT)
Fertigstellung
2015
Projektdaten
Ausführungszeitraum
Etappe 1 07/2014 - 11/2015
Etappe 2 10/2016 - 03/2017
Etappe 2b 2018
Etappe 1+2 NGF 23.425 m²,
Etappe 1+2 BGF 2185 m²,
Etappe 1+2 BRI 3755,78 m³
Projektphasen
Reithalle Neubau
Herberge Umbau
Reithalle Sanierung
Haupthaus Sanierung
Rechte
Text Marko Sauer
Übersetzung Bronwen Rolls
Foto Norman Radon
- Tragwerksplanung
M+G Ingenieure, Feldkirch
merz kley partner ZT GmbH - HLS Planung
E-Plus Planungsteam GmbH, Egg - Elektroplanung
Norbert Steiner Elektroplanung, Nüziders - Bauphysik
BDT | IB Bauphysik, Frastanz - Akustik
Ing. Karl Brüstle, Dornbirn - Landschaftsplanung
DI Markus Cukrowicz Landschaftsarchitekt, Winterthur - Beleuchtungsplanung
Lichtplanung - Manfred Remm, Dornbirn - Zimmerer
Zimmerei Heiseler GmbH & Co KG, Sonntag (Bauphase 1),
Kaspar Greber Holz-und Wohnbau GmbH, Bezau (Bauphase 2)
Propstei St. Gerold – Herberge, St. Gerold
Die Propstei Sankt Gerold war in den 1960er-Jahren baufällig und unternutzt. Seit jedoch Pater Nathanael Wirth die Führung übernommen hatte, entwickelte sie sich zu einem Ort der Begegnung und der Kultur. Und die Gäste blieben nicht aus: Kulturfestivals sind heute ebenso Bestandteil der Propstei wie Feste und Hochzeiten. Doch die baulichen Strukturen hinkten der Attraktivität nach, verschärfte Vorschriften erschwerten die wirtschaftliche Nutzung der Räume, der Gastronomietrakt musste erneuert werden.
Dafür waren zahlreiche Eingriffe in die historische Substanz nötig. Doch wie sieht eine Architektur aus, die sich den Anforderungen der heutigen Zeit stellt und die gleichzeitig die Geschichte des Klosters respektiert? Die Benediktinerpropstei steht seit rund 1000 Jahren in Sankt Gerold. An ihr weiterzubauen bedeutet, sich in die Geschichte des Ortes einzuschreiben: Ein heikler Balanceakt zwischen Bewahren und Erneuern.
»Die Gäste sind begeistert, wie das Neue mit dem Alten korrespondiert und gut zusammenpasst. Die klaren, schlichten Formen und das natürliche Material Holz schaffen angenehme Räume.«
Bauherr Propst Kolumban Reichlin
Der Orden der Benediktiner vereint Geistliches und Weltliches miteinander: Im berühmten Grundsatz „Ora, labora und lectio divina“ ist die Ordensregel in einer Kurzform zusammengefasst. Sie besagt, dass Gebet, Weiterbildung und manuelle Arbeit ein ganzheitlicher Weg sind zu einem erfüllten Leben, das bei Gott seine Vollendung findet. Diesem Grundsatz folgt auch die benediktinische Propstei Sankt Gerold und deren Mutterhaus, das Kloster Einsiedeln in der Schweiz.
Die Klosteranlagen spiegeln dieses arbeitsame und disziplinierte Leben wieder. Als Bauanleitung dient der berühmte St. Galler Klosterplan aus dem 9. Jahrhundert. Neben Kirche und Klausur sind darauf zahlreiche Wirtschaftsbauten und Handwerksbetriebe eingezeichnet. Gartenanlagen und landwirtschaftliche Flächen verweisen auf die weitgehende Selbstversorgung.
Die Propstei Sankt Gerold ist offen für Gäste: Die Klosteranlage liegt auf einem Geländesattel an der steilen Nordflanke des Großen Walsertals. Diese außerordentliche Lage nutzen Seminar- und Kursgäste, Urlauber, Kinder und Erwachsene, die zum therapeutischen Reiten in die Propstei kommen sowie Gesellschaften für Hochzeits- und Familienfeiern. Der Hotelbetrieb und die Gastronomie bilden das wirtschaftliche Fundament des Hauses. Ein kulturelles Programm mit Konzerten, Lesungen und Vorträgen ergänzt das Angebot vor Ort. Da die bestehende Infrastruktur teils überaltert und störungsanfällig geworden ist, ist eine Gesamtsanierung unumgänglich, damit nach den Worten von Propst Kolumban Reichlin „die Propstei mit ihrer tausendjährigen Geschichte langfristig ideell und materiell auf solidem Fundament weiterbestehen kann“.
Bereits in früheren Umbauten haben die Pröpste bewiesen, dass sie in der Lage sind, mit diesem wertvollen Erbe umzugehen. In der langen Reihe der sensiblen Eingriffe stechen die Friedhofsmauer aus Stampflehm von Martin Rauch aus dem Jahre 1994, die vom Luzerner Architekt Arnold Stöckli (1909 – 1997) in der nüchternen Sprache der 1960er-Jahre erneuerte Kirche und das Altarbild des Ostschweizer Künstlers Ferdinand Gehr (1896 – 1996) von 1966 hervor. All diese Eingriffe haben das Kloster geprägt – die Bausubstanz befindet sich in einem steten Wandel.
In sechs Etappen soll nun die bauliche Basis für den weiteren Betrieb entstehen: Die erste Etappe beinhaltete die Erneuerung der Gastronomie. In einem zweiten Schritt ergänzen zusätzliche Gästezimmer die Herberge. Die dritte Etappe umfasst den nördlich gelegenen Riegelbau mit Dienstwohnungen. Erst in der vierten Phase ist das Haupthaus an der Reihe: Über Jahrhunderte haben Eingriffe die Grundrisse verstellt und die wertvolle Substanz bedrängt. Es entstand ein Nebeneinander von Strukturen, die dem jeweiligen Zeitgeist folgend neue Nutzungen integrierten. Nach dem vierten Schritt wird sich das Haupthaus wieder in seiner ursprünglichen Anordnung und Anmutung zeigen. Zum Abschluss sind im fünften und sechsten Bauabschnitt die Sanierung des für Seminare und Hochzeitsbankette genutzten „Wyberhuses“ und der Kirche vorgesehen.
Die erste Etappe wurde im Sommer 2015 abgeschlossen. Sie beinhaltet die Erstellung neuer Parkplätze, bauliche Anpassungen beim Kuhstall, den Bau einer neuen Küche, neuer Gastro- und Lagerräume sowie eines neuen Gastgartens und Klosterladens. Der Klosterhof wurde ebenfalls neu gestaltet und barrierefrei ausgeführt. Die größte Veränderung erfolgte im zentralen Trakt zwischen Klosterhof und den landwirtschaftlichen Bauten. An dieser Nahtstelle zwischen den beiden Bereichen treffen sich geistliche und weltliche Gäste. Oder um es im Geist der Benediktsregel auszudrücken: zwischen orare und laborare liegt celebrare – das Feiern.
Dass der Umbau der Gastronomie sich heute so selbstverständlich in die Klosteranlage einfügt, ist Resultat einer umsichtigen Planung: Der Eingriff in die historische Bausubstanz war tief, denn der Klosterladen im ehemaligen Tenn liegt unter Terrain. Um genügend Tageslicht ins Innere zu führen, musste die Decke weichen und Platz für einen zweigeschossigen Raum schaffen. Während der Bauarbeiten klaffte eine riesige Lücke im langgezogenen Ökonomiegebäude; das Dach war mit Baumstämmen abgestützt. Die Lichtführung im Ladenbereich dient auch den angrenzenden Räumen, da sie Tageslicht bis tief ins umgebaute Gebäude bringt und die beiden Geschosse visuell miteinander verbindet. Ein neuer Aufzug bildet das zentrale Element, um das Restaurant barrierefrei nutzen zu können.
Die Ausführung der ersten Etappe zeigt, welche Richtung die Gesamtsanierung nehmen könnte. Im Vordergrund steht eine unaufdringliche und räumlich präzise Architektur, die sich in einer ebenso akkuraten handwerklichen Umsetzung äußert. An den Wänden zeigt sich diese Haltung im rift bis halbrift geschnittenen Eschentäfer, das großteils aus dem eigenen Forst stammt. Der Boden besteht aus sägerauer Esche, die ebenfalls aus dem Propsteiwald stammt; Die Möbel sind nach Plänen der Architekten gebaut. Die entwerferische Haltung äußert sich in vielen Details, zum Beispiel in den geschmiedeten Handläufen der Treppen. Ihre handwerkliche Herkunft bleibt eindeutig ablesbar, aber sie ist frei von Zierrat, der dies demonstrativ unterstreichen würde. Dieser Ausdruck einer nüchternen und dem Material entsprechenden Machart ist zeitlos – er bildet den gemeinsamen Nenner und das verbindende Element der Epochen, die in der Propstei aufeinander stoßen.
Doch auch die Gegenwart hat ihren Platz im Umbau erhalten: Über den Hof hinweg bietet im Eingangsbereich ein Panoramafenster einen wunderbaren Blick ins Tal. Da die Wand ohnehin unterfangen werden musste, bot sich die Gelegenheit, mit diesem großen Fenster das 21. Jahrhundert in die Klosteranlage einzuschreiben. Ebenso zeigt sich der Anbau, in dem die neue Küche untergebracht ist, den Anforderungen entsprechend als zeitgenössischer, funktionaler Holzbau. Die Lüftungsflügel sind in den Rahmen der großen Festverglasungen integriert, die unumgänglichen Fliegengitter als geometrisches Ornament ausgestanzt.
An jenen Stellen jedoch, die nur sorgfältige Ergänzungen erfuhren, steht die historische Substanz im Mittelpunkt. Den Höhepunkt der ersten Etappe bildet der „Spycher-Saal“, der einst als Heustock für den darunter liegenden Pferdestall diente. In seinen dicken Mauern sind schmale, stehende Fensteröffnungen eingelassen, die mit Blei eingefasst an verspielte Schiessscharten erinnern. Über dem Saal ruht ein imposanter intakter Dachstuhl aus dem Jahre 1683, der aus statischen Gründen um wenige Balken ergänzt werden musste. Um die Atmosphäre auf das Maximum zu verdichten, ist der Saal auf das Wesentliche reduziert. Nichts verstellt den Blick auf die Konstruktion und die rauen Mauern mit Originalputz aus dem 17. Jh.
Der erste Schritt für die Erneuerung der Propstei ist getan und die Richtung eingeschlagen: Eine gute Nutzung ist der beste Schutz für ein Baudenkmal – seine sensible Erweiterung die Basis, dass diese Nutzung auch in Zukunft attraktiv bleibt.
Baufotos
Publik
- Vorarlberger Holzbaupreis 2017
2017 (Schmuttertal Gymnasium: Anerkennung Außer Landes,Propstei St. Gerold: Anerkennung Sanierung,
Passivhaus Plus Wohnanlage Unterstein: Anerkennung Mehrfamilienhaus) - Constructive Alps 2017
2017 (Anerkennungspreis - Sanierung)
- Propstei St. Gerold – Sanierung
ZN Z-300, Propstei Zeitung 3/2015 - Erbe weiterbauen
ZN Z-327, Julia Ess, Leben & Wohnen, VN-Beilage, Nov.2016, S. 4-7 - Propstei St. Gerold
ZN Z-342, Constructive Alps, November 2017, S.27 - Propstei St. Gerold – Bewahren und Erneuern
ZN Z-343, Elisabeth K. Fürst, Holzmagazin, 02.2018, S. 14-19 - Propstei St. Gerold – Gästezimmer
ZN Z-363, Julia Ess, Zuschnitt 74, Juni 2019, S.24-25