Projektinfos
DI Stefan Hiebeler
DI Thomas Fußenegger
DI Christoph Dünser
Ing. Benjamin Baumgartl
Andreas Ströhle M.Sc.
Erwin Scheuhammer, BSc Arch
Jörg Braun
Arch. DI Roland Wehinger
Wolfgang Hammerer
Wolfgang Hammerer
Dieter Linka
Jörg Braun
Bauherr
Nebelhornbahn AG, Oberstdorf
Standort
Oberstdorf (AT)
Fertigstellung
2016
Projektdaten
NGF 663,4 m², BGF 819,8 m²,
BRI 3486,1 m³
Projektphasen
Gipfelrestaurant
Rechte
Text Marko Sauer
Übersetzung Bronwen Rolls
Foto Jürgen Pollak, Norman Radon, Arch. DI Roland Wehinger
- Tragwerksplanung
IDL Ingenieurbüro Dieter Linka, Oberstdorf - HLS Planung
DI (FH) Wolfgang Hirdina, Betzigau - Elektroplanung
J.E.T. Ingenieurbüro für Elektrotechnik, Wertac - Bauphysik / Akustik
Dipl. Ing. Bernhard Weithas GmbH, Lauterach - Landschaftsplanung
Klenkhart & Partner Consulting ZT Gesellschaft m.b.H., Absam
Gipfelrestaurant Nebelhorn, Oberstdorf
Auf einem Berggipfel zu bauen ist immer ein Kraftakt – was man dem Resultat aber nicht immer ansehen muss. Das neue Gipfelrestaurant auf dem 2’224 m hohen Nebelhorn lässt sich die Anstrengungen und Mühen nicht anmerken, die seine Errichtung erfordert hatte. Elegant nimmt es sich zurück und stellt damit das pure Naturerlebnis in den Vordergrund.
Um die Bergspitze in Szene zu rücken, wurde das Gebäude von der Seilbahn abgesetzt und damit das Plateau freigeräumt, auf dem die Besucherinnen und Besucher ankommen. So bleibt der Blick auf den Gipfel frei, denn das Restaurant befindet sich unterhalb der Ankunftsebene. Auf der Oberseite steht lediglich ein Pavillon, der als Eingang zum Restaurant dient und ein offenes Bistro beherbergt.
»Die Leitidee war, den Gipfel wieder zu befreien, ihn in den Mittelpunkt zu rücken und erlebbar zu machen wenn man von unten hochschaut oder mit der Bahn zum Gipfel fährt.«
Univ.-Prof. Arch. DI Hermann Kaufmann
Formal nimmt das Restaurant eine eigenständige Position ein: Jenseits von Alpenkitsch und geometrischen Zwängereien reizt es die konstruktiven und gestalterischen Möglichkeiten des Holzbaus aus. Die geschwungenen Linien der Terrasse folgen dem Geländeverlauf, mit seinen abgerundeten Glasfronten bringt das Restaurant urbane Eleganz auf den Gipfel.
Fertigung und Logistik legten enge Leitplanken fest: dank ihnen bleibt der Entwurf auf dem Boden, auch wenn er lustvoll die Mittel der Zeit ausschöpft. Mit diesem Spagat vereint das Gipfelhaus den Tourismus mit der rauen Welt des hochalpinen Raums; den mühelosen Aufstieg mit den Tugenden alpiner Traditionen.
Der Gipfel des Nebelhorns lässt sich hindernisfrei erreichen und erkunden. In diesem kurzen Satz steckt die gesamte Herausforderung der Bauaufgabe auf 2’224 m Höhe; darin blitzt aber auch das eigenartige Verhältnis hervor, das Mensch und Natur im hochalpinen Tourismus verbindet. Was einst todesmutigen Abenteurern vorbehalten war, kann nun als Familienausflug mit Kinderwagen und Rollator bewältigt werden – inklusive Gänsehaut auf dem Skywalk, der 600 m über der senkrechten Nordwand am Felsen klebt.
Ein Gebäude direkt unter der Bergspitze zu errichten, ist gestalterisch eine knifflige Aufgabe. Mit dem felsigen Gipfel und der atemberaubenden Aussicht kann ein Haus kaum mithalten und im Ausdruck ist der Grat zwischen Alpenkitsch und forcierter Geste sehr schmal. Das Bauen in dieser Höhe ist darüber hinaus eine bautechnische Herausforderung, die den gesamten Entwurf durchdringt: Der Transport mit der Bahn ist auf die Dimension einer Palette beschränkt und ein gewöhnlicher Helikopter kann maximal 900 kg Güter auf den Berg bringen. Dies engen Grenzen der Möglichkeiten zwingen die Planer, bezüglich Technik und Gestaltung zu Disziplin – was dem Entwurf sehr entgegen kommt.
Die Lösung für beide Anforderungen liegt in einem hybriden Holzbau, der modernste Fertigungstechniken nutzt und diese auch zum Ausdruck bringt. Doch zuerst galt es, eine passende Anordnung des Gebäudes auf dem Gipfel zu finden. Das alte Gipfelrestaurant war im Stile eines Chalets erstellt und es hatte neben funktionalen Mängeln – die sich mit wachsender touristischer Nachfrage über die Jahre entwickelt hatten – vor allem eine Schwäche: das Haus verwehrte den Blick auf den Gipfel. Direkt an die Station der Bergbahn angebaut, verstellte es den ankommenden Gästen die Sicht auf die Spitze des Nebelhorns. Für die Betreiber der Bahn war klar, dass dieses Manko mit einem Neubau behoben werden musste. Dass das Haus von der Bahn abrückt, war damit vorgegeben. Doch der neue Entwurf geht noch einen entscheidenden Schritt weiter: Um die Ebene freizuspielen, auf der die Kabinen ankommen, verlegten die Architekten das eigentliche Restaurant unter die Ankunftsplattform. Auf dem Oberdeck steht nun lediglich ein Pavillon, dessen Glasfronten sich öffnen lassen und der eine Bar und ein Bistro beherbergt.
Über eine Treppe in diesem Pavillon gelangen die Besucherinnen und Besucher auf die untere Ebene und ins Restaurant. Als Alternative können sie via Nordwand über den Skywalk ebenfalls auf die untere Terrasse gelangen. Für einen hindernisfreien Zugang sorgt ein Lift zwischen den beiden Stockwerken. Damit schafft das Gipfelrestaurant eine neue Topographie auf dem Berg: Die Ebene bildet das Niveau, an dem sich die Bauten orientieren und auf dem sich die Gäste bewegen. Die Terrasse wird begrenzt von einer geschwungenen Glasbrüstung, die mit ihrem Verlauf den Höhenlinien des Berges folgt. Damit bettet sich die neue Bebauung in ihre Umgebung ein, sie schafft damit aber auch mehr Übersicht und Klarheit – und sie bietet die wichtigste Zutat für das Naturerlebins : Den freien Blick auf rund 400 Bergspitzen, inklusive dem Gipfel des Nebelhorns in allernächster Nähe.
Die touristische Maxime nach einem unverstellten Blick lenkte auch die Gestaltung des Hauses. Von jedem Platz aus sollte die Sicht auf die Bergwelt ideal sein. Dies führte zu einem Entwurf, im dem die Nebenräume sich zum Berg hin befinden und die Gasträume in einem Band entlang der Talseite angeordnet sind. Damit steht fast jeder Tisch direkt an der großzügigen Fensterfront, von der aus der Blick in die Alpen schweift. Und dort, wo sich die Tische in einer Nische auf der rückwärtigen Seite des Gastraums befinden, sind sie einen Tritt höher angeordnet, um den Blick über die Köpfe der Nachbarn hinweg zu erlauben.
Im Ausdruck geht das Haus einen eigenen Weg, der sich an den Tugenden der alpinen Kultur orientiert: Im Zentrum standen der sparsame Umgang mit dem Material, die Nutzung von bereits bestehenden Strukturen und die Angemessenheit der baulichen Geste. Dass diese Tugenden nicht zwingend zu einem traditionell anmutenden Gebäude führen, beweist das Gipfelrestaurant eindrücklich: die verglasten Fronten und die Brüstungen aus gebogenem Glas bringen städtische Eleganz auf den Gipfel, die Fassade aus gefaltetem Kupferblech zeigt sich gleichzeitig widerstandsfähig und zeitgenössisch. Selbst der Dachaufbau geht eine Symbiose von Form und Funktion ein: Um Schneeverwehungen auf dem Dach zu vermeiden, ist der Dachrand nahezu bündig mit der Dachhaut. Dies führt zu einem klaren und reduzierten Detail, das sich aus den Bedingungen vor Ort ableitet. Als Folge musste die Dachhaut mit mächtigen Steinen beschwert werden, die die Arbeiter rund um den Gipfel zusammengetragen haben. Die Dachaufsicht ist ein wichtiges Entwurfthema, denn die fünfte Fassade des Pavillons liegt im Sichtfeld der Gipfelstürmer. Ebenso die große Plattform, die aus einem Holzrost besteht.
Dort wo das Gebäude den Berg berührt, ist die Konstruktion als Stahlbetonkonstruktion ausgeführt. Sie nutzt die vorhandenen Fundamente und eine Platte des Bestandesgebäudes. Auf dieser Basis steht der kombinierte Stahl-Holz-Bau des Restaurantgebäudes: jedes Material wurde seinen Stärken entsprechend eingesetzt – immer unter der Prämisse, möglichst viel Gewicht zu sparen. Das Geschoss unter dem Restaurant wurde mit Steinen aus der Umgebung vorgemauert, von weitem gesehen liegen nun auf dieser Steinmauer abwechslungsweise die kupferfarbigen Bänder der eingepackten Deckenstirnen und die gläsernen Brüstungen mit den zurückgesetzten Fensterfronten. Die Bodenbeläge und Wände im Außenraum sind in Lärche ausgeführt.
Im Inneren des Restaurants setzt sich die Einheit von Funktion und Gestaltung fort. Wände und Decken sind mit Braunkernesche verkleidet, wobei die Decke als moduliertes Relief zu einer guten Akustik beiträgt. Als Bodenbelag kommt ein Nadelfilz zum Einsatz, da die Skischuhe auf einen harten Boden einen unangenehmen Lärm erzeugen würden. Überall besticht das Gipfelrestaurant mit Ablageflächen, die in den Ausbau integriert sind: Helm, Handschuhe und Schal sollen einen angemessenen Platz finden. Ein paar Verweise auf die alpine Tradition sind erhalten geblieben. Aber auch sie stecken in einem modernen Kleid. Zwei Öfen mit Kacheln der Keramikerin Marta Rauch spenden wohlige Strahlungswärme – mit Strom betrieben statt mit Holz – und über ihnen lassen sich an einem hölzernen Gerüst die Jacken und Kappen trocknen.
Neben dem Gipfelrestaurant wurde auch die Station der Seilbahn erneuert. Auch hier wiederholt sich die Strategie, auf dem Bestand aufzubauen und das Vorhandene so weit wie möglich weiter zu verwenden: Die Bergstation mit ihrem Pultdach wurde kaum angetastet und um ein paar Nebenräume ergänzt. Sie zeigt sich jetzt in der gleichen Grundform, einfach ein Stück größer, um die einzelnen Teile zu einem ganzen zu fügen, sind alle fünf Fassaden mit Falzblechen aus Chromstahl eingefasst.
Und der Alpencharme? Der wurde entstaubt und auf seine Tugenden zurückgeführt – auf den sparsamen und intelligenten Einsatz des Materials. Damit vereint das Bergrestaurant die Identität seiner Herkunft mit einer klaren Entwurfshaltung: Ein Einheimischer, der die Welt gesehen hat.
Projektpläne
Baufotos
Media
Publik
- baupreis allgäu 18
2018 (Preis)
- Nebelhorn Gipfelrestaurant
ZN Z-338, Annette Weckesser, AIT 04/2017, S. 10 und 23 - Nebelhorn Gipfelrestaurant
ZN Z-337, Edith Schlocker, Architektur Aktuell 05/2017, S. 116-125 - Eleganz am Gipfel
ZN Z-345, Marko Sauer, Allgäu Alternativ, 03/2017, S.18-22 - Tribüne der Alpen
ZN Z-346, Context Magazin, 04/2017, S. 20-23