Bildungshaus St. Arbogast, Götzis
Bildungshaus St. Arbogast, Götzis

Projektinfos

90_01

Bauherr
Diözese Feldkirch, Feldkirch

Standort
Götzis (AT)

Fertigstellung
1993

Projektdaten
NGF 2.800,00 m², BGF 3.500,00 m²,
BRI 14.500,00 m³

Projektphasen
Bildungshaus St. Arbogast, Götzis
Bildungshaus St. Arbogast – Umbau, Götzis

Rechte
Text Baumeister: Wolfgang Bachmann,
Foto Myrzik+Jarisch

Fachplaner
  • Tragwerksplanung
    DI Ingo Gehrer, Höchst
  • HLS Planung
    Ing. Peter Naßwetter, Batschuns
  • Elektroplanung
    Ing. Wilhelm Brugger, Thüringen
  • Bauphysik / Akustik
    Ing. Karl Brüstle, Dornbirn


Bildungshaus St. Arbogast, Götzis

In einer zauberhafter Landschaft entstand ein „Lehrbeispiel“ zeitgenössischer Architektur, das ökologischen Prinzipien folgt.

Ein Jugend- und Bildungshaus der katholischen Kirche wurde um ein Gebäude mit Seminarräumen und Veranstaltungssälen, Werkstätten und Büros erweitert.

Die Lage, die Lage, Lage! würden Makler rufen. Aber hier gibt es nichts zu verkaufen. Hier hat die Kirche ihr altes Wirtschaftsgebäude abgerissen und durch einen beachtlichen Neubau ersetzt, der über der Hangkante hoch aufragend, das Gebäudeensemble aus Kirche und vorhandenen Gästehäusern zum Tal abschließt. Gleichzeitig schneidet es durch einen Hügel zur Bergseite einen Platz aus, der die hier tagenden, lernenden oder meditierenden Gäste zum zwanglosen Austausch anregt. Eine hohe Arkade auf schlanken Stahlstützen, die sich an dem hangwärtigen Gebäudeschenkel als Rampe fortsetzt, bildet den Übergang zur geschlossenen Architektur. Und als sollte das auf hoher Warte thronende Haus dem Gast den zauberhaften Ausblick, der sich beim Aufstieg (gut: bei der Anreise) angekündigt hat, nicht vollständig verstellen, öffnet sich die Treppenhalle mit der Cafeteria zur Talseite, was der festen Burg eine einladende Transparenz und Großzügigkeit verleiht.

Ein eigenes Thema sind die Fassaden. Ihre Befensterung ist natürlich von den dahinterliegenden Nutzungen der Räume und der Himmelsrichtung diktiert. Dennoch schafften es die Architekten, ihre der schlichten Vernunft verpflichtete Entwurfsräson zu einem anregenden Zweiklang aus geschlossenen weißen Flächen, bisweilen von ideal geschnittenen Öffnungen durchbrochen, und großzügigen Glasfeldern, die von einer Reihe kräftiger Fensterpfosten gehalten werden, zu stimmen. Die verglasten Raster belichten beispielsweise auf der Talseite den über zwei Geschosse reichenden Speiseraum sowie einen zweiten größeren Speiseraum an der Stirnseite, zur Hofseite läuft die Pfosten-Patrouille der Foyerverglasung im Obergeschoß des Flügelbaus weiter. Dadurch ermöglicht der helle Flur eine zweiseitige Orientierung der Werkräume. Statt nach außen bloß die Harmonie einer ästhetischen Überzeugung darzustellen, entwickelt sich auf den Außenwänden ein Dialog aus der Konzentration der Massen und Flächen – entsprechend der Räume für Gruppen oder einzelne Nutzer. Die Architektur reiht sich damit in die fortgeschriebene Tradition der Moderne. Die kleinen Öffnungen und großen Fensterflächen zeigen, dass die hier wohnenden und arbeitenden Menschen Individuen sind, als Gruppe aber gleiche Interessen verfolgen können. Weder sture Hierarchie noch neutrale Unbestimmtheit prägen die Tektonik des Gebäudes: Tragen und Lasten, Dienen und Bedientwerden, Geborgensein und Weltoffenheit werden einsichtig und mit Leichtigkeit dargestellt. (Vielleicht sollte Ungers sich hier einmal zu Exerzitien einfinden.) Da akzeptiert man auch, dass dem Fassadenrhythmus zuliebe ein Raum ein rundes Fenster, groß wie ein Vollmond, bekommen muss. Und andere kompositorische Entscheidungen.

Aber natürlich besteht St. Arbogast nicht nur aus geschickt arrangierten Fassaden. Auch die Räume gefallen durch lichte Neutralität, wie man sie sich für ein Seminarhaus wünscht. Im Zentrum liegt die im Bereich der Cafeteria über zwei Geschosse reichende Treppenhalle, die auch Sitzgruppen, Garderoben und Empfangstresen aufnimmt. Sie stimmt auf die Weite ein, die sich dann hinter den verschlossenen Türen der einzelnen Räume fortsetzt. Das Kapital ist natürlich die Landschaft, deren „Nahaufnahme“ in den Seitenfenstern des großen Speisesaale etwa wie in einem jahreszeitlichen veränderlichen Wechselrahmen erscheint. Die Hallendecke wird von der Untersicht des flachen Pultdaches (Sparren mit dazwischenliegender weißer Lattung, die zur Wand hin von sehr schmalen Leuchtstofflampen unterbrochen ist) bestimmt. Geschickt, wie die gläsere Hoffassade knapp an der Deckenkante des oberen Treppenfoyers vorbeiführt: Eine waagrechte Sprosse liegt knapp über dem Parkettboden, schützt damit wie eine Fußleiste und stört dennoch nicht die beabsichtigte schwebende Offenheit der Halle.

Solche selbstverständlichen Überlegungen, übersetzt in anmutige Details, begleiten alle Räume. Im Speisesaal sind es die sich musikalisch dem Licht entgegenstaffelnde Decke aus weißen Gipskartontafeln (die die Lüftung verbergen) oder die entsprechend der Momentenlinie bogenförmig verstärkten Leimholzpfosten des hohen Fensters. Im Untergeschoß zu erwähnen sind die Personalappartements, die von der schlanken Fensterteilung bis zu neutralen, gut dimensionierten Möblierung für den zeitweiligen Aufenthalt von Bewohnern mit unterschiedlichen Erwartungen geschaffen sind. Auch die Seminarräume und Büros im Obergeschoß besitzen diese unauffällige Besonderheit einer angenehmren Innenarchitektur, im (schiefwinkligen) Veranstaltungssaal ist es zusätzlich die statische Unterspannung der Holzbalkendecke, die die Gäste vielleicht einen Augenblick über die einfache Qualität zeitgemäßer Architektur nachdenken lässt.

Dies könnte das unausgesprochen Prinzip des Bildungshauses sein. Es würde zur verantwortlichen Vorbildfunktion passen, mit der es durch umweltbewusstes Wirtschaften die ökologische Verpflichtung der Architektur fortsetzt. Dies gelte es noch nachzutragen: Mit 40 Zentimeter starken Ziegelwänden, einer Dreifachverglasung (bei den feststehenden Scheiben), einer automatischen Holzschnitzelbefeuerung, einem Lichtkonzept, das zwischen Energieeinsparung und Atmosphäre (durch dimmbare Halo-Deckenfluter und Leuchtstoffröhren) vermittelt, durch Regenwassernutzung, Wärmetauscher und  (künftig) Sonnenkollektoren beweist es, dass angemessene Architektur immer ökologisch ist. Dass eine katholische Institution diesen Auftrag aus ihrer besonderen Verpflichtung für die Schöpfung ableitet, kann einem fast wieder Hoffnung für die Kirche geben.

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Publik

    Publikationen
  • Jugend und Bildungshaus
    ZN B-013, architektur & wirtschaft, Journal internat. Bodenseeregion, S. 33
  • Fünf touristische Gegenwartsarchitekturen aus Vorarlberg
    ZN Z-072, Walter Chramosta, Gastlich Bauen
  • Bildungshaus St. Arbogast in Götzis
    ZN Z-047, Bachmann Wolfgang, Baumeister, 01/1996, S. 19-23
  • Bildungshaus St. Arbogast in Götzis
    ZN B-001, Sayah Amber, Neue Architektur in Vorarlberg, S. 140-143
  • Bauen und Renovieren in der Diözese Feldkirch
    ZN Z-075, Katholische Kirche Vorarlberg - Bauen und Renovieren in der Diözese Feldkirch, S-1-3