Ertüchtigung des Baubestandes und Nachverdichtung haben höhere Priorität wie neu bauen, eine Aufgabe für Bauherren und Politik
Vorarlberg ist seit Langem ein international bekanntes „Musterländle“ in Sachen Architektur und nachhaltiges Bauen. Der internationale Zuspruch blendet, denn bei einer kritischen Analyse der Bauten der letzten Jahre findet man zu wenig Belege dafür, dass der Klimawandel das Bauen in Vorarlberg entscheidend beeinflusst hat. Wieder Beton, wohin man schaut, seien es Wohnbauten, Schulen oder sogar Kindergärten. Sogar Stahlbetonfassaden zelebrieren bei Wohnbauten den Baustoff mit seinen nach wie vor sehr hohen CO2 Emissionen in der Herstellung. Materialkombinationen werden ausgeführt ohne Rücksicht auf Rückbaubarkeit und Wiederverwendung am Ende des Lebenszyklus, auch im Holzbau. Rückschritte in der Energieeffizienz der Gebäudehülle sind festzustellen. Nach dem Motto „Die Wärmepumpe wird es schon richten“, stagnieren die Bemühungen um ganzheitliche Energiekonzepte. Dabei wäre das Wissen darüber, wie man Gebäude mit minimalem ökologischem Fußabdruck baut, längst vorhanden. Auch wie man Gebäude konzipieren muss, damit sie lange genutzt oder gut umgenutzt werden können, weiß man. Neu ist das Thema Recycling oder Rückbaubarkeit, aber auch hier gibt es internationale Beispiele, die gute Lösungsansätze zeigen. Warum hat bei all diesen Themen Vorarlberg nicht ebenfalls eine Vorreiterrolle? Was ist da los? Befinden wir uns in einer Endzeitstimmung, haben wir resigniert?
Wir müssen endlich aufwachen! Primär muss der Ertüchtigung des Bestandes und der Nachverdichtung höchste Priorität eingeräumt werden, was auch Versiegelungen spart. Alle Möglichkeiten sind vom Gesetzgeber konsequent auszuschöpfen, und die Wohnbauförderung muss viel gezielter den Focus auf diese Themen richten. Wenn neu gebaut wird, dann dürfen nur noch Null- oder Plusenergiegebäude errichtet werden. Ökobilanzierungen müssen belegen, dass der CO2-Fußabdruck von Gebäuden um den Faktor 3-4 gegenüber den Standardbauten verringert wird, was mit nachwachsenden Rohstoffen bzw. Lehm leicht erreichbar ist. Alle sind gefordert, nicht nur der Gesetzgeber, auch die Bauherren und Baufrauen, die solche Konzepte bei ihren Architekten und Ingenieuren einfordern müssen. Und diese müssen liefern!